Andreas Wimmer

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2008

Abstract

Viele migrationssoziologische Studien setzen ethnische Gruppen als selbstverständliche Beobachtungseinheiten voraus und nehmen an, dass sich diese durch Gemeinschaftssolidarität und kulturelle Differenz auszeichnen. Diese Annahmen werden von den unterschiedlichsten Ansätzen geteilt, von der Assimilationstheorie bis zum Paradigma der transnationalen Gemeinschaften, die ansonsten wenig gemein haben. Sie alle implizieren eine Herder’sche Perspektive, welche die Unterteilung der Welt in verschiedene „Völker“ naturalisiert. Drei analytische und empirische Probleme dieser Perspektive werden diskutiert. Der zweite Abschnitt führt das Paradigma der ethnischen Grenzziehung ein, das die Herder’sche Gleichsetzung von ethnischer Kultur, Gemeinschaft und Kategorie vermeidet. Dieses Paradigma konzeptualisiert die „Assimilation“ und „Integration“ von Immigranten nicht als Ergebnis der Überwindung kultureller Differenz und sozialer Distanz zwischen verschiedenen „Völkern“, sondern als reversiblen und machtgeleiteten Prozess der Grenzverschiebung. Im letzten Abschnitt schlage ich fünf mögliche Untersuchungsdesigns vor, die sich dazu eignen, Herder’schen Commonsense zu vermeiden.